Neuerscheinung: Südtirol 1922–2022. Porträt einer Region
Österreich in Geschichte und Literatur (mit Geographie), Nr. 1/2022
Das Institut für Österreichkunde an der Universität Wien widmet das aktuelle Heft seiner Fachzeitschrift „Österreich in Geschichte und Literatur (mit Geographie)“ Nr. 1/2022 der Geschichte Südtirols. Die von Herausgeber Hans Heiss zusammengestellten Aufsätze von fünf Südtiroler Forschenden der Geschichts- und Literaturwissenschaften rücken neben landesgeschichtlichen Fixpunkten auch weniger bekannte Details der Südtiroler Regionalgeschichte in den Fokus.
Einen gerafften Überblick vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart geben die Aufsätze von Stefan Lechner und Herausgeber Heiss. Lechner skizziert die Herrschaftsstrategie des Provinzfaschismus in Südtirol 1922–1943, wobei er im Detail aufzeigt, wie der Versuch, Südtirol national zu durchdringen, an Inkonsequenz und Widersprüchen des Regimes, aber auch am passiven Widerstand der Südtiroler scheiterte. Daran anknüpfend skizziert Heiss in seinem Beitrag, wie sich das politische System und das Zusammenleben der Sprachgruppen in Südtirol nach Inkrafttreten des Zweiten Autonomiestatuts 1972 bis heute weiterentwickelt haben. Neben beachtlichen Erfolgen auf den Gebieten des Minderheitenschutzes und der wirtschaftlichen Entwicklung verweist der Autor auf einige Bereiche, in denen die erweiterte Südtirolautonomie im 50. Jahr ihres Bestehens der Anpassungen bedarf.
Von der Kollektiv- in die Ebene der Einzelbiografien führen die Beiträge von Maria Piok, Germanistin am Brenner-Archiv der Universität Innsbruck, und Joachim Gatterer, Historiker am Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte der Freien Universität Bozen. Piok analysiert den literarischen Weg des Südtiroler Schriftstellers Gerhard Kofler (1949–2005) heraus aus dem provinziellen Lebensumfeld Südtirols, das er als Reibungsfläche und Impuls für seine Dichtung begriff. Joachim Gatterer konturiert Leben und Arbeitsschwerpunkte des aus Sexten gebürtigen Journalisten Claus Gatterer (1924–1984). In kleinbäuerlichen Verhältnissen aufgewachsen, legte C. Gatterer unter schwierigen Bedingungen eine beachtliche Karriere zurück, die ihn in bedeutende Zeitungsredaktionen Österreichs und schließlich zum Österreichischen Rundfunk (ORF) führte.
Neue Einsichten zur Sozialgeschichte des 16. und 17. Jahrhundert bietet der Aufsatz von Siglinde Clementi, Historikerin am Kompetenzzentrums für Regionalgeschichte an der Freien Universität Bozen. Am Beispiel der Adelsfamilie Wolkenstein-Trapp zeigt Clementi Familien- und Erbstrategie des Tiroler Landadels, die das Feld der Rechtsgeschichte im südlichen Tirol erhellen.
Die geschichts- und literaturwissenschaftlichen Aufsätze vermitteln einen anregenden Einblick in aktuelle Forschungen zu Geschichte und Kultur Südtirols, denen es gelingt, im überschaubaren Rahmen der Region deren kulturelle Vielfalt erkennbar zu machen.
INHALTSÜBERSICHT
Vorwort
Stefan Lechner, Im Ventennio nero. Der italienische Faschismus in Südtirol 1922-1943
Siglinde Clementi, Zu gleichen Teilen (un)geteilt. Erbpraktiken im Tiroler Adel der Frühen Neuzeit
Maria Piok, Von Schwesternsprachen und Bergbewohnerzungen. Gerhard Koflers autobiographische (Anti-)Heimatbilder
Joachim Gatterer, Zeitgeschichte als Emanzipationsgeschichte. Einblicke in Leben und Werk Claus Gatterers
Hans Heiss, "Südtirol, wie es ist". Ein Rundgang zwischen Geschichte und Gegenwart
Abstracts (englisch)