08/09 2016

Knödel und Kaiserschmarren in Abessinien

Countdown zu den "Bozner Gesprächen zur Regionalgeschichte" #4

Wir nähern uns den "Bozner Gesprächen zur Regionalgeschichte"! Einige der vielen Themen wollen wir hier - vorab und in unregelmäßigen Abständen - kurz vorstellen.
Der Doktorand Markus Wurzer von der Univeristät Graz führt uns nach Abessinien, wo sich unter den Soldaten auch junge Südtiroler Männer befanden – und sich gegenseitig suchten!
 

Herr Wurzer, heute gibt es den "Südstern – das Netzwerk der Südtiroler im Ausland" – gab es solche Netzwerke von Südtirolern auch im Abessinienkrieg?
Nicht direkt. Das Netzwerk „Südstern“ ist nämlich eine Organisation, die über eine feste Struktur verfügt. Das gab es für die Südtiroler im Abessinienkrieg nicht. Die rund 1200 Südtiroler, die im Laufe des Jahres 1935 an das Horn von Afrika verschifft worden waren, befanden sich nämlich nicht in ein und demselben Truppenverband. Ganz im Gegenteil: Sie waren auf mindestens 22 Regimenter verteilt worden. In Tagebüchern und Erinnerungsberichten lesen wir aber, dass die Südtiroler jede Gelegenheit nutzten, um Männer in ihrer Umgebung zu finden, die aus ihrer Heimat stammten. So entstand ein loses und informelles Netzwerk von Südtirolern, zu dem nur diejenigen Zugang hatten, die die Geschichte, Sprache und Kultur der Südtiroler teilten.

Wofür war dieses lose und informelle Netzwerk gut?
Diese Netzwerke erfüllten ganz unterschiedliche Funktionen: Zum einen schanzten sich die Südtiroler bei Versorgungsknappheiten gegenseitig Lebensmittel oder dringend benötigte Ausrüstungsgegenstände (wie Waschbehälter zum Waschen von Kleidungsteilen) zu. Neben der gegenseitigen Hilfeleistung, nützten die Südtiroler die Treffen auch, um Neuigkeiten aus der Heimat zu erfahren und auszutauschen. Und zum Schluss dienten die Zusammenkünfte den Südtirolern, in ihrer als bedrohlich und unsicher wahrgenommenen Situation, der Selbstvergewisserung, in dem sie etwa in ihrem Dialekt miteinander sprachen, in gemeinsamen Erinnerungen an die Heimat schwelgten oder gemeinsam für die Heimat typische Speisen wie Knödel und Kaiserschmarren zubereiteten.

Immagine: Südtiroler beim Lesen der Zeitung "Dolomiten" am Pass Alagi 1936 (Sammlung Ralser, Foto 51).


Der Vortrag von Markus Wurzer "Regionale Zugehörigkeit al Faktor von Netzwerkbildung. Südtiroler in der italienischen Armee und im Abessinienkrieg 1935–1936" findet am Donnerstag, 15. September 2016 um 12.00 Uhr im Kolpinghaus Bozen statt. Der Vortrag wird simultan ins Italienische übersetzt.

Hier das Programm der "Bozner Gespräche zur Regionalgeschichte".
Hier die Abstracts aller Vorträge.


Der bisherige Countdown:

Countdown zu den "Bozner Gesprächen zur Regionalgeschichte" #1: A bisserl Wien in New York

Countdown zu den "Bozner Gesprächen zur Regionalgeschichte" #2: Es lebe der Transit!

Countdown zu den "Bozner Gesprächen zur Regionalgeschichte" #3: Die Erfindung des Veneto