CfA: Die Alpen – Modernisierung und Ressourcen
Das ausgehende 19. Jahrhundert ging in den Alpen mit einem tiefgreifenden energiewirtschaftli-chen und industriellen Wandel einher. Besonders die Wasserkraft transformierte periphere Berg-täler zu wertvollen Ressourcenspeichern, die anfangs noch lokale, nach dem Ersten Weltkrieg aber zunehmend perialpine Stromproduzenten und -konsumenten zumindest für sich gewinnbringend erschlossen. Deren Infrastrukturen brachten wirtschaftliche und soziale Entwicklungsprozesse in vormals abgelegene Regionen und beflügelten eine Modernisierung, die sich fortschreitend auf die gesamte alpine Biosphäre auswirkte. Aufgrund solcher Neuanschlüsse diversifizierte sich auch das Verhältnis kommunaler Lebensgemeinschaften zu den sie umgebenden Ressourcen, wo eine selbstversorgende Güterverwaltung etwa fremdbestimmten Abbauregimen oder profitablen Han-delsbeziehungen mit privatwirtschaftlichen Großunternehmen wich.
Die Zeitschrift „Geschichte und Region/Storia e regione“ plant ein Themenheft, das dieser vielsei-tigen Entwicklung nachgehen will, indem es danach fragt, wie sich der Umgang mit biosphärischen Kapitalien wie etwa den Gewässern, dem Wald, dem Agrarland, Bodenschätzen oder auch der Fauna angesichts extraktiver Innovationen sowie dagegen unternommener Schutzmechanismen nach 1880 verändert hat. Die Alpen entwickelten sich in diesem Spannungsfeld einerseits zu einem Labor, wo Expertinnen und Experten Wissen erlangten und gleichzeitig mit anderen Weltregionen austauschten; andererseits aber auch zu einem antimodernen Sehnsuchtsort, an dem traditionalis-tische und nationalkonservative Heimatvorstellungen zirkulierten. Wo und in welcher Form zeigte sich diese aus der Modernisierung sowie dem infrastrukturellen Ressourcenmanagement hervor-gegangene technokratische und kulturelle Divergenz? Wie wurde der Zugriff auf Kollektivgüter jeweils geregelt, wer durfte über diese konkret verfügen und welche Gruppen wurden benachtei-ligt oder vom Zugang ausgeschlossen? Wozu wurden Ressourcen in welchem Ausmaß verwendet? Gingen daraus neue Industriezweige hervor? Welche wirtschaftlichen und ökologischen Folgen ergaben sich aus den verschiedenen Nutzungsregimen und den mit ihnen einhergehenden Infra-strukturen? Was für naturräumliche Schutz- und Konservierungsmaßnahmen resultierten daraus?
Um diesem facettenreichen Fragenkomplex nachzugehen, zielt das Themenheft auf regionalge-schichtliche Fallstudien, die Ansätze der Sozial-, Wirtschafts- und Umweltgeschichte verfolgen. Beiträge sind zu historischen Themenbereichen wie beispielsweise der industriellen Energiege-winnung, der mechanisierten Land- und Forstwirtschaft, dem Bergbau sowie der Jagd und der Fi-scherei denkbar, können aber auch kulturellen Gegenreaktionen wie dem Natur- und Heimat-schutz mit dessen Initiativen und Diskursen auf den Grund gehen.
„Geschichte und Region/Storia e regione“ ist eine zweisprachige Zeitschrift, deren Aufsätze dem double-blind-peer-Review unterzogen werden. Für dieses Themenheft, das 2025 erscheinen soll, sind sechs Aufsätze vorgesehen, sie können auf Deutsch, Italienisch oder Englisch verfasst werden. Das Manuskript soll bis Ende 2023 vorliegen.
Interessierte sind dazu eingeladen, bis 31.08.2022 einen Artikelvorschlag (Abstract von ca. 400 Wörtern), einen summarischen Lebenslauf sowie eine Publikationsliste an die HerausgeberInnen zu senden:
Dr. Alice Riegler, Universität Trient: radioalice@gmail.com
Dr. Sebastian De Pretto, Universität Luzern & Universität Innsbruck: sebastian.depretto@kulturen-der-alpen.ch