12/09 2016

Region im Nationalsozialismus

Countdown zu den "Bozner Gesprächen zur Regionalgeschichte" #8

Wir nähern uns den "Bozner Gesprächen zur Regionalgeschichte"! Einige der vielen Themen wollen wir hier – vorab und in unregelmäßigen Abständen – kurz vorstellen.
Der Doktorand Nikolaus Hagen von der Universität Innsbruck widmet sich der regionalen Kulturpolitik des Nationalsozialismus. Dabei plädiert er dafür der NS-spezifischen Raumordnung mehr Aufmerksamkeit zu schenken!

 

Herr Hagen, ist nicht schon alles gesagt worden zur NS-Zeit? Immerhin ist diese Epoche wie kaum einen andere untersucht worden? Was gibt es da noch zu erforschen?
Auf den ersten Blick mag es so scheinen, als sei dazu schon alles gesagt worden. Es stimmt sicherlich, dass es mittlerweile unzählige Detail- und Fallstudien zur NS-Zeit gibt. Auf den zweiten Blick gibt es aber erstaunlich große Forschungslücken. Gerade die regionalen Herrschaftsstrukturen des NS-Systems sind ein Aspekt, der erst in den letzten Jahren wieder stärker in den Fokus gelangt ist. Und neue Paradigmen in den Geschichtswissenschaften machen natürlich auch nicht vor der Erforschung des Nationalsozialismus halt.

Was versprechen Sie sich von einer historischen Untersuchung, die den traditionellen Raumfokus verschiebt, die sozusagen mit den "Raumbrillen" der Nationalsozialisten diese Region untersucht?
Eine pragmatische Antwort wäre: Weil es sich eben um die Herrschafts- und Verwaltungsstruktur handelte, die jenen Rahmen definierte, innerhalb dessen eine gewisse Politik erst wirkmächtig werden konnte. Ich glaube aber, dass es noch andere gute Gründe dafür gibt. Da ich eine spezifische Form regionaler NS-Identitätspolitik untersuche, sind für mich vor allem die Bruchstellen interessant. Und hier scheint mir eine Überbetonung von Kontinuitäten oder gar ein Verharren in tradierten Vorstellungen von „Landesgeschichte“ den Blick auf die Besonderheiten des NS-Systems doch zu verstellen.

Wo können Sie einen solchen „verstellten Blick“ der traditionellen NS-Landesgeschichte denn etwa ausmachen?
Statt die Gaue oder Reichsgaue als räumliche Bezugspunkte zu wählen, geht der Blick oft vom heutigen Bundesland oder gar dem historischen Land aus. Am Beispiel Tirol-Vorarlbergs fällt auf, dass die NS-Geschichte der beiden heutigen österreichischen Bundesländer meist separat dargestellt und auch erforscht wird. Es scheint fast als würde dafür anderen peripheren Gebieten – die wie Osttirol anderen Verwaltungsinstanzen und wie Südtirol bis 1943 gänzlich außerhalb des NS-Herrschaftsbereichs lagen – ungleich höhere Aufmerksamkeit gewidmet, als dem Reichsgau Tirol-Vorarlberg als Gesamtes. Da spielen natürlich tradierte Vorstellungen wie die „Zerreißung Tirols“ oder auch das Vorarlberger „Unabhängigkeitsstreben“ von Tirol ganz stark hinein. Es ist aber fraglich aber, ob solche Denkmuster dem Gegenstand gerecht werden.

 

 

Nikolaus Hagen hät seinen Vortrag "Region im Nationalsozialismus – kein Fall für die Landesgeschichte? am Freitag, 16. September 2016 um 16.00 Uhr im Kolpinghaus Bozen. Der Vortrag wird simultan ins Italienische übersetzt.

Für das gesamte Programm der "Bozner Gespräche zur Regionalgeschichte" bitte hier klicken.
Die Abstracts aller Vorträge können hier eingesehen werden.


Der Countdown bisher:

Countdown zu den "Bozner Gesprächen zur Regionalgeschichte" #1: A bisserl Wien in New York

Countdown zu den "Bozner Gesprächen zur Regionalgeschichte" #2: Es lebe der Transit!

Countdown zu den "Bozner Gesprächen zur Regionalgeschichte" #3: Die Erfindung des Veneto

Countdown zu den "Bozner Gesprächen zur Regionalgeschichte" #4: Knödel und Kaiserschmarren in Abissinien

Countdown zu den "Bozner Gesprächen zur Regionalgeschichte" #5: "Besser gings uns unter Österreich"

Countdown zu den "Bozner Gesprächen zur Regionalgeschichte" #6: Immigration und Medien

Countdown zu den "Bozner Gesprächen zur Regionalgeschichte" #7: An der Grenze: Deutsch oder Dänisch – oder weder noch?