Umsiedlung und Vertreibung / Spostamenti forzati
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Zusammenfassung
Die Umsiedlungen, Deportationen und Vertreibungen des 20. Jahrhunderts werfen die Frage nach Mustern von Geschichtsbetrachtung und Erinnerungskultur auf. Eine auf die Opfer konzentrierte Perspektive hat in hohem Maße dazu beigetragen, Zwangsmigration in ihrer verbrecherischen Dimension zu erfassen und ins kollektive Bewusstsein zu heben. Dieses opferidentifizierte Muster ist insofern von grundlegender Relevanz. Es hat jedoch lange Zeit eine andere Dimension, nämlich diejenige der Täter und präzisen Verantwortlichkeit, in den Hintergrund treten lassen. Weithin unbeachtet blieben die größeren gesellschaftlichen Rahmungen dieser Verbrechen, die Frage nach dem sozio-kulturellen Ermöglichungskontext sowie nach personellen und mentalen Kontinuitäten in der Nachkriegszeit.
Die Beiträge dieses Heftes, der anlässlich des 70. Jahrestages des Südtiroler Option konzipiert wurden, stellt daher die historiographische Analyse von Gesellschafts- und Herrschaftsstrukturen, von Ideologemenen sowie von Interessen. Und Handlungshintergründen der Akteure in den Vordergrund. Jenseits von tradierter ethnischer Selbstreferentialität und in vergleichender Perspektive richten die hier zusammengestellten Studien ihren Blick über traditionelle zeitliche Zäsursetzungen hinweg. Sie untersuchen Umsiedlungen und Vertreibungen, die in einem internationalen Kontext bevölkerungspolitischer Interventionen zu verorten sind.